Wir alle wissen, dass unsere alltäglichen Einkaufsentscheidungen gezielt beeinflusst werden. Das offenkundigste Mittel ist Werbung. Bei Werbung wissen wir, dass der Werbetreibende uns zum Kauf überreden möchte. Allerdings gibt es darüber hinaus eine ganze Reihe von Aspekten, die uns bei unserer Kaufentscheidung beeinflussen, wir diese aber so gut wie nicht oder gar nicht wahrnehmen.
Grundsätzlich entscheiden wir alle bei weitem nicht so rational, wie wir vielleicht denken. Betrachten wir einmal alle unsere täglichen Entscheidungen, so werden ca. 95 Prozent dieser Entscheidungen unterbewusst getroffen. Wir agieren sozusagen auf Autopilot. Die verbleibenden 5% nehmen wir bewusst wahr. Aber selbst bei diesen 5% sind wir einer Vielzahl von Einflussfaktoren ausgesetzt und somit beeinflusst.
Um in dieser Reizflut einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht von Konsum zu Konsum getrieben zu werden, ist es essenziell zu verstehen, wonach wir uns entscheiden und welche Einflussfaktoren auf uns wirken. Erst danach können wir uns damit beschäftigen, wie wir der Reizflut Herr werden und zu eigenen weitgehend unbeeinflussten Entscheidungen kommen können.
Wonach wir uns entscheiden
Natürlich ist es nicht so, dass wir buchstäblich durch psychologische Tricks zu einem Kauf gezwungen werden können. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Faktoren, die unser Kaufverhalten erheblich beeinflussen. Hierbei spielen sowohl externe Faktoren wie Werbung, Verpackung, Preis etc., aber auch interne Faktoren wie situative, kulturelle, soziale, persönliche und psychologische Faktoren eine wichtige Rolle.
Die internen Faktoren sind von uns nicht einmal wahrnehmbar, da sie unterbewusst Einfluss auf uns nehmen. Dies weiß aber die Industrie auch und nimmt gern genau diese Faktoren in den Fokus.
Beispiele für interne Faktoren sind:
- Situative Faktoren: Dringlichkeit des Kaufes oder Stimmung des Käufers
- Kulturelle Faktoren: Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, Religion oder anderen Subkultur
- Soziale Faktoren: Umfeld, Freundeskreis und Familie
- Persönliche Faktoren: Einkommen, Alter, Bildung, Persönlichkeit etc.
- Psychologische Faktoren: Erfahrungen, Ansichten und Einstellungen oder Motivation
Im Alltag läuft das Ganze dann so ab: Wir werden von einem externen Faktor gelockt (z.B. Online-Werbung). Ob dieser erfolgreich ist oder nicht, hängt dann von unseren internen Faktoren ab, denn der externe Faktor wird unterbewusst über die internen Faktoren verarbeitet und bewertet. Kommt es zu einer positiven Bewertung, dann kaufen wir. Dieser Ablauf wird auch als SOR-Modell bezeichnet (SOR = Stimulus, Organismus, Reaktion).
Es ist gar nicht schlimm, dass wir eine Kaufentscheidung durch eigene interne Faktoren unbewusst prüfen. Diese sind wenigstens individuell. Aber sind sie auch rational?
Leider nein! Wir treffen als Menschen keine rationalen Entscheidungen. Meist handeln wir stattdessen emotional als Folge der in unserem Leben gesammelten Erfahrungen. Unser Gehirn vergleicht, selektiert und interpretiert rasend schnell und wir treffen eine Entscheidung ohne es wirklich zu merken warum.
Gibt es Ausnahmen? Agieren wir zum Beispiel bei großen, materiell als teuer empfundenen Anschaffungen anders? Setzt sich hier das rationale Abwägen durch? Wir erstellen ja sogar teilweise Vor- und Nachteillisten etc. bevor wir uns entscheiden. Ich muss Sie leider enttäuschen, letztendlich entscheiden wir auch hier emotional – basierend auf unseren Erfahrungen.
Besonders deutlich wird, wie wichtig unsere Gefühle bei Kaufentscheidungen sind, wenn wir das Entscheidungsverhalten von Menschen mit Hirnschädigungen analysieren. Menschen, bei denen der präfrontale Kortex (zuständig für die Wahrnehmung von Gefühlen in unserem Gehirn) ausgefallen ist, können sich beim Kauf von alltäglichen Dingen fast nicht entscheiden. So beobachteten bspw. Neurologen, dass Menschen mit einer Störung des präfrontalen Kortex sich nicht entscheiden konnten, welches Duschmittel sie kaufen sollten, denn eine rationale Abwägung war nicht möglich. Die Vor- und Nachteile der Produkte waren einfach zu ähnlich.
Dies bedeutet, dass wir gerade im Alltag, also tagein tagaus, durch unsere Emotionen geleitet werden. Zunächst mag es verwundern, dass dies auch bei komplexen Entscheidungen gilt. Es ist aber in sich eine logische Konsequenz, denn je weniger wir bei einer Entscheidung auf Grund von Komplexität alle Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten abwägen können, desto mehr entscheiden wir uns am Ende aus dem Bauch heraus. Etwas anderes bleibt uns ja auch nicht übrig.
Bedeutet dies nun, dass wir eigentlich unmündig sind, da wir von unserem Unterbewusstsein unmerklich gelenkt werden? Nein, so schlimm ist es nicht.
Was wir tun können, um weitestgehend unbeeinflusst zu entscheiden
Zunächst sollten wir uns keinen Kopf darüber machen, dass wir in unseren täglichen Entscheidungen (stark) beeinflusst werden und zudem überwiegend emotional handeln. Für den Verlauf unseres Lebens sind diese Alltagsentscheidungen nämlich meist absolut irrelevant. Es ist egal, welche Produkte wir im Supermarkt kaufen oder welche Hose wir online erwerben.
Nichtsdestotrotz ist es gut zu wissen, dass wir beeinflusst werden, um so unnötige Lustkäufe etc. zu vermeiden. In alle »Fallen der Werbung« wollen wir ja schließlich auch nicht tappen. Um möglichst frei von Einflussfaktoren zu entscheiden, ist die wohl einzige Möglichkeit, sich zu entscheiden, bevor wir zu vielen Einflussfaktoren ausgesetzt sind.
Lassen Sie uns diese Idee anhand von zwei Beispielen – Wocheneinkauf und große Entscheidungen – durchgehen.
Der Wocheneinkauf
Was Sie jetzt lesen werden, kennen Sie wahrscheinlich, aber es verdeutlicht die Grundidee sehr gut.
Wer beim wöchentlichen Einkauf von Nahrungsmitteln rational entscheiden möchte, sollte sich, bevor er einkaufen geht, eine Einkaufsliste erstellen; denn zuhause sind Sie frei von Werbeeinflüssen.
Notieren Sie sich also vor dem Einkaufen, was Sie die nächsten Tage benötigen und kaufen Sie dann nur diese Dinge ein. So umgehen Sie die Einflussfaktoren, die auf Sie wirken, wenn Sie unentschlossen im Supermarkt »umherirren«.
Insgesamt gehen Sie so gezielter einkaufen und reduzieren zudem meist noch die Zeit, die Sie für das Einkaufen benötigen. Sie können gezielt nur die Dinge besorgen, die Sie wirklich benötigen und verlieren keine Zeit durch ungezieltes shoppen. Sie agieren geplant und nicht nach Lust und Laune. Und Sie sparen Geld, da unnötige Lustkäufe entfallen.
Wie gesagt, nichts Neues.
Die Idee zeigt aber sehr gut, dass wir uns erst mit dem beschäftigen sollten, was wir möchten, bevor wir uns mit dem existierenden Angebot auseinandersetzen. Dieses Prinzip gilt nicht nur beim Wochenendeinkauf, sondern auch bei großen nicht alltäglichen Kaufentscheidungen.
Große nicht alltägliche Kaufentscheidungen
Bei größeren Kaufentscheidungen – wie bspw. der Kauf einer Eigentumswohnung oder der Abschluss eines Fernstudiumvertrags – ist es wichtig, möglichst unbeeinflusst zu entscheiden und anhand eigener Kriterien zu einer Entscheidung zu kommen.
Letztendlich werden wir hier zwar auch nicht komplett frei von Emotionen entscheiden, aber wir sollten trotzdem versuchen, soweit wie möglich objektiv zu sein. Dies erreichen wir dadurch, dass wir erst festlegen, was wir wollen und erst dann uns mit den möglichen Optionen beschäftigen.
Große Kaufentscheidungen sollten wir daher nicht damit beginnen herauszufinden, was es für Möglichkeiten gibt. Denn im Laufe einer Recherche würden wir bereits stark beeinflusst werden. Wir würden uns mit Verkaufsseiten, Prospekten etc. auseinandersetzen und wären somit mit Werbung über Werbung konfrontiert.
Der Beginn einer objektiven Entscheidung sollte vielmehr damit starten, dass wir uns Gedanken darüber machen, welche Eigenschaften des zu kaufenden Produktes oder der Dienstleistung für uns wichtig sind. Diese Eigenschaften sollten wir aufschreiben und priorisieren (Eigenschaftenranking).
Danach sollten wir uns überlegen, nach welchen Kriterien wir diese Eigenschaften bei infrage kommenden Produkten oder Dienstleistungen bewerten können.
Haben wir alles dies erledigt, erst dann sollten wir mit einer umfassenden Recherche bzw. Suche nach dem passenden Produkt starten. Haben wir mehrere passende Produkte gefunden, so sollten wir diese anhand unseres zuvor erstellen Eigenschaftenrankings vergleichen. Das Produkt, welches unsere Zielkriterien am meisten erfüllt, kaufen wir dann.
Insgesamt ergibt sich somit folgendes Entscheidungsschema:
- Zieleigenschaften des Kaufobjektes festlegen
- Ranking der Zieleigenschaften erstellen
- Kriterien zur Bewertung der Zieleigenschaften entwickeln
- Recherche nach passenden Kaufobjekten
- Mögliche Kaufobjekte anhand der Zieleigenschaften bewerten
- Das Kaufobjekt wählen, das am besten die Zieleigenschaften erfüllt
Schlussendlich geht es wie in den meisten Dingen im Leben darum, dass wir wissen, was wir wollen. Wir benötigen ein Ziel. Wissen wir, was wir wollen, so sind wir nur sehr schwer von externen Faktoren beeinflussbar. Dies gilt sowohl für kleine als auch für große Kaufentscheidungen.
Werden Sie sich daher klar, was Sie in Ihrem Leben wirklich wollen und Sie werden schwer zu beeinflussen sein.
Ihr
